kellergeister - 3. Nov, 00:08
Lieber Neuruppino,
mein Freund Raoul findet seltsamerweise keinen Zugang zu diesem Schreibtisch, er hat mich gebeten, für ihn einzuspringen, was ich - leider etwas in Eile - gern tue. Er fand Deinen Brief ’zum Nachdenken schön’ (so ähnlich jedenfalls habe ichs im Ohr), hätte wohl auch früher geantwortet, aber da stand dann die lange Ausführung über den kriegerischen Islam im Weg, die er erst gelesen haben wollte und natürlich nicht las, dies als Grund nehmend, noch nicht antworten zu können. Man kennt das, so vergehen die Tage.
Ich musste es ja nicht lesen, spinge nur ein. Bin mal drüberweggesaust und fand: Viele Greueltaten, viel blutige Märtyrer - weigerte mich, die Absicht des Autors, da zwischen Gut und Böse, kulturell hoch und nieder nachzuvollziehen. Ich meine - und bin mir in diesem Punkt mit Flüchtig ganz einig: Wenn es um Macht geht, ist Gott für alles gut, und es hat mit ihm/ihr gar nichts zu tun. Wenn selbst der friedlichste Zugang zu einem Gottvater (durch Christus, den Sohn) so blutig vermatscht werden konnte, so ’versaut’, dann taugt Religion nicht für das Soziale. Also gibt es auch keine ’blutigen Religionen’, nur Machtkämpfe. Und die finden seit langer Zeit um Rohstoffe, Märkte, Profite statt. Ausnahmen bestätigen diese Regel, häufig und gern, aber sie gilt und leider kommt da nichts andres (man wünscht es sich, weil man die Welt gern verzauberter hätte...)
Die Geheimnisse entblättern sich (oder verhüllen sich umso mehr) immer nur, wenn eine Geschichte erzählt wird. Ein Vorhang zerrissen, Einblick ermöglicht wird. Und zugleich verhüllt durch das Spiel, das wir Kunst nennen.
Da hast Du wieder Recht, und danke, dass Du daran erinnerst.
Wie wärs mal mit einem Roman, der heut im Iran spielt? Oder in Ost-Timor?
Das ungefähr sollte ich ausrichten von Flüchtig - und schließe mich an mit Grüßen und einem kleinen Lied,
Buchstab
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The great Nations of Europe
buchstab - 6. Okt, 12:58
Im Stil von August Sander in bunt:


mauren - 6. Okt, 12:18
kellergeister - 5. Okt, 22:28
kellergeister - 5. Okt, 22:14
irgendwas stimmt

hier noch nicht, oder?
kellergeister - 5. Okt, 22:04
kellergeister - 5. Okt, 22:03
kellergeister - 5. Okt, 21:59
...aus brodelndem Mikrokosmos in die Wirrnis der Welt.
Alle guten Wünsche und viel Glück!
Kristjane & Manfred
Bei Glabinkes in Dresden gips was zu feiern.
Ein Junge erblickte das Licht der Welt.
Oma Rabulke reist extra aus Leipzig an.
"Nu, wie soll denn der Gleene heissn?",
fragt Oma die stolzen Eltern.
"Nu, mer dochtn on Dankward odr suo."
"Nu, ihr seid mer velleich een Folgg.
Ich will doch seen Namn wissn.
Nich, was er emol werdn werd."
mauren - 1. Sep, 00:03
Ich
Die Ehre hat mich nie gesucht;
Sie hätte mich auch nie gefunden.
Wählt man, in zugezählten Stunden,
Ein prächtig Feierkleid zur Flucht?
Auch Schätze hab ich nie begehrt.
Was hilft es sie auf kurzen Wegen
Für Diebe mehr als sich zu hegen,
Wo man das wenigste verzehrt?
Wie lange währts, so bin ich hin,
Und einer Nachwelt untern Füßen?
Was braucht sie, wen sie tritt, zu wissen?
Weiß ich nur wer ich bin.
maksimilian - 4. Jul, 20:30
Von Anfang 14. Jhdt. bis in das 19. Jhdt. hinein.
Belegt durch zeitgenössische Berichte, künstlerische Darstellungen, Wachstumsringe der Bäume u.a.
Vermehrtes Gletscherwachstum hatte z. B. Zerstörung von Dörfern in den Alpen zur Folge.
Packeisgrenze rückte nach Süden vor, Island war zeitweise von der Aussenwelt abgeschlossen, die Wikingerkolonie auf Grönland erlosch (im 16. Jhdt.).
Schlittschuhlaufen auf der Lagune von Venedig in Vivaldis Winterkonzert.
In der Malerei vor allem niederländischer Meister aus dem 16. u. 17. Jhdt. viele Szenen, auf denen zugefrorene Kanäle zu sehen sind. Heute liegen Temperaturen höher, Kanäle frieren nicht mehr zu.
Schwere lange Winter -> reduzierte Vegetationsperiode, nasskalte Sommer -> Missernten -> Hungersnöte. Die Bevölkerung schrumpft.
Die Hexenverfolgung, die in diese Zeit fällt, wird u.a. mit durch die kaltfeuchte Witterung begünstigtem Einschleppen von Halluzinogenen, wie z. B. Mutterkorn, in Verbindung gebracht.
Aus Wikipedia
MUTTERKORNTHEORIE
Urkundlich nachgewiesen ist die massenhafte Vergiftung ganzer Städte von mit Mutterkorn verseuchtem Getreide im Mittelalter (Antoniusfeuer, Kribbelkrankheit). Folgen waren Halluzinationen und Massenhysterie.
In Alpträumen wurden unterbewusste Ängste aktiviert, und die Menschen sahen sich real bedroht von all den Wesen, vor denen sie sich fürchteten, u. a. Hexen, Werwölfe und Teufel.
Bekannt war im MA, dass Mutterkorn in geringer Dosierung Ekstasen auslöste und zur Blutstillung, Wehenförderung und als Abortivum eingesetzt wurde.
Aus Wikipedia
kapuziner - 26. Apr, 09:49
Nachdem die Erörterung des Bildverbots offenbar allgemeines Schweigen ausgelöst und unsere Besucher vertrieben hat, schlage ich vor, dass wir zu neuer Fragenfindung voranschreiten. Themen könnten aus den Diskussionen unseres Zirkels, aus deren Mitte oder Peripherie erwachsen, Konflikte könnten sich zuspitzen, verschärfen, sie könnten gelöst werden. Spalten statt versöhnen, versöhnen statt spalten, je nach Harmoniebedürfnis und Alkoholpegel.
La Rochefoucauld erzählt von einen französischen Edelmann, der, als man ihm einen Höfling rühmte, der aufgrund seiner Schweigsamkeit den Ruf von Tiefe und Tugend erworben hatte, meinte: "Es gibt auch leere Truhen!"
Silentium, stultorum virtus. (Francis Bacon)
maksimilian - 13. Mär, 19:19
Hirschgeröhr im Eisdickicht
Drama für viele Personen
Bitterkalte Winternacht. Die Beleuchtung wechselt. Manchmal Mond und Sterne, manchmal Wolken. Flaches Gelände, bläulich schimmerndes Eis bis zum Horizont; Einzelne Bäume, Buschwerk, einige Zäune. Stille. Nur ein feines Sirren wie von Außerirdischen.
Rotbäckchen auf Schlittschuhen, nähert sich in weiten Schwüngen, erreicht den Zaun und lehnt dann heftig atmend und vergnügt an Pfosten. Zuerst kann sie gar nichts sehen, allmählich unterscheidet sie im Dunkel schemenhafte Gebäude, Dinge, Gestalten.
Rotbäckchen: puh
(keine Antwort, nur der Gesang der Außerirdischen)
Rotbäckchen: Puh hah
(Kapuziner in weitem Umhang nähert sich mit knirschenden Schritten.)
Rotb.: Puh hah hah puh
Kapu.: kun scha schah heu
Rotb.: Wer bist du?
Kapu.: Offensichtlich der erste für dich. Und Du?
Rotb.: Hannelore. Die würd ich gern sein.
Kapu.: War schon mal da. Aber sie selbst meinte, es lohnt nicht.
Rotb.: Und wo bin ich hier.
Kapu.: Am Eingang zu den abgelegen Gehöften.
Rotb.: Das erinnert mich an was. Aber wieso abgelegen. Ich fand auf direktem Weg hierher.
Kapu.: Wer hier her findet, der hat sich verloren. Willst du eintreten?
Rotb.: Klar, gern, wenn ich darf. Kälter als hier kann es nicht mehr werden.
(Wirft sich die Schlittschuhe über die Schulter und schreitet durch die Pforte. Kapuziner verschließt diese umständlich und murmelt dabei Beschwörungsformeln.) Ich fühl mich aber noch ganz bei mir.
(Sie sieht den Turm aus Lexika und Wörterbüchern. Der Goldschnitt glänzt im Mondlicht wie die Zinnen von Jericho. Oben hockt Maksimilian, der Ausschau hält und hin und wieder kleine bekritzelte Papierblätter herunterwirft. Rotbäckchen hebt einen Zettel auf, liest, lacht aus vollem Mund und steckt den Zettel sorgfältig ein.
Maks.(vom Turm): Wieviel Melancholie ist in Ihnen? (im Herabsteigen leise zu Kapuziner) Nimm ihr das weg. Hast du das Hundehalsband?
(Unten angekommen zu Rotbäckchen) Na? You need a little help?
Rotb.: but only from my friends!
Maks: by. Better by my friends.
Rotb.: ich glaub, ich glaub ihnen nicht.
Maks.: Egal. Udo Jürgens hat gesagt, das Leben sei die Bewältigung von Melancholie und Depression. Der hat ein Klavier. Was haben sie?
Rotb.: Ich habe meine Beine. Damit komme ich und gehe ich wohin ich will.
Maks.: Da wär ich nicht so sicher?
( Kapuziner will ihr von hinten das Hundehalsband über den Kopf streifen. Er hält inne, als Jolly Jumper plötzlich wie eine Sprungfeder aus einem Loch unmittelbar neben den dreien hochschnellt)
J.J.: Haltet ein Freunde. Nicht diese Töne. Noch dazu im Mozart-Jahr. (Singt)
Will mit meinem Hund spazieren
Will ihn keinesfalls verlieren
Brauch ein Kettchen für das Tier
Kapuziner, reich sie mir!
(Kapuziner gibt ihm widerwillig und mit bedauernder Geste zu Maksimilian das Hundehalsband. Jolly Jumper springt pfeifend davon. Rautenkranz und Kellergeister, gekleidet wie Landarbeiter, nähern sich schnaufend, jeder trägt eine große Schaufel vor sich her.)
Kellerg.: Je mehr Löcher wir stopfen, um so mehr werden es. Auch dein Gefühl?
Rauten.: Ich fühl schon fast überhaupt nichts mehr. Mir ist alles ganz abgestorben von der Plackerei.
Kellerg.: Warum eigentlich immer wir? He, Maksimilian, Kapuziner: warum eigentlich immer wir beide?
Kapu: Ewige Ordnung, Rituale von alters her. Lange Zeit wart ihr einverstanden.
Maks.: Ein Dekret aus dem frühen 7.Jhdt. verfügt, dass die Löcher immer müssen gestopfet werden von zweien, die, ich zitiere sinngemäß: sich einig sind im guten Willen, zukunftsorientiert, demütig gegen das Leben und dienstbereit.
Kapu.: Und bei dem Eignungstest damals, habt ihr eindeutig am besten abgeschnitten. Ihr seid einfach: prä-des-ti-niert dafür.
Rotb.: Das bin ich auch. (zu Rautenk/Kellerg, die sie erst jetzt bemerken): Die Leere füllen, das ist genau mein Ding. Habt ihr noch eine Schaufel, dann bin ich dabei.
(Wie diese spannende Geschichte weitergeht und wer sich noch aller auf dem abgelegenen Gehöft rumtreibt erfahrt ihr in der nächsten Folge.)
kellergeister - 28. Jan, 15:27
Ich habe es stets abgelehnt, verstanden zu werden. Verstanden werden heißt sich verkaufen. Ich ziehe es vor, als derjenige, der ich nicht bin, ernst genommen zu werden, und als Mensch mit Anstand und Natürlichkeit verkannt zu werden.
Gumperz - 23. Jan, 21:06
Lösezauber
(Ältester erhaltener vorchristlicher Zauberspruch in stabreimenden Langzeilen)
Eiris sazun idisi, sazun hera duoder.
suma hapt heptidun, suma heri lezidun,
suma clubodun umbi cuoniouuidi:
insprinc haptandun, inuar uigandun.
(Einst ließen sich die Idisen - das sind den Nornen verwandte Schicksalswesen - nieder, setzten sich hierhin und setzten sich dorthin. / Einige fesselten (die Feinde), andere hemmten (das feindliche) Heer, / wiederum andere lösten die Fesselen (des Freundes):/
Löse dich aus den Fesseln , entflieh den Feinden.
maksimilian - 15. Jan, 11:42